MAXI MENOT
ÜBER ERFOLG
Foto: Tomas Hustoles.
Maxi Menot zog vor fünf Jahren nach Berlin mit dem Traum, Pophits für namhafte Künstler*innen zu schreiben und sich als Komponistin und Produzentin zu etablieren. Nach einer anfänglichen Durststrecke in der Maxi aufgeben wollte und einen eisigen Berliner Winter lang nur noch Pullis strickte, hat sie es geschafft - auch ohne die Hits. Denn Hits braucht die 32-jährige selbstständige Songwriterin heute ebenso wenig wie ihr grundsolides Musikstudium für das damalige Kaffeekochen in Tonstudios als Praktikantin. Die Musikbranche ist für Maxi längst entmystifiziert und Berlin platzt aus allen Nähten vor musikalischem und kreativem Potential. Der Zuzug von Entertainmentgrößen u.a. wie Sony Music oder Netflix in die Hauptstadt wird in den nächsten Jahren weitere Künstler*innen und Kreativschaffende wie Maxi damals an den Ort des Geschehens locken. Ob sie auch Pullover stricken müssen oder vorher schon hinschmeißen? Nicht, wenn sie wie Maxi ihre eigene Nische finden, offen und wach bleiben und sich proaktiv vernetzen …
Interview: Alexandra Helena Becht.
Du bist mit dem Traum, Pophits für namhafte Künstler*innen zu schreiben und dich als erfolgreiche Komponistin und Produzentin zu etablieren, nach Berlin gezogen. Letzteres hast du geschafft, auch ohne die Hits. Hat sich deine Definition von Erfolg verändert?
MAXI:
Ja, als ich vor fünf Jahren nach Berlin gekommen bin, dachte ich, dass ich unbedingt mit den Größen der Branche zusammenarbeiten und Hits schreiben muss. Das habe ich dann auch zwei Jahre sehr intensiv versucht indem ich an diversen Songwriting Sessions teilgenommen und wie wild genetzwerkt habe. Die Frustration folgte schnell, denn selbst wenn man gefühlt hundert Songs in Sessions schreibt, kann man froh sein, wenn ein Song davon genommen wird. Es ist eine sehr frustrierende Quote mit der man zudem kein Geld verdient. 2016 hatte ich nach langer Durststrecke diesen Moment in dem ich mit der Popmusik aufhören wollte. Ich habe mich dann drei Monate einfach nur noch zurückgezogen und gestrickt – Pullover, Schals und Mützen für den eisigkalten Berliner Winter. Eine harte, aber auch wichtige Zeit für mich, um nachzudenken und um neue Kräfte zu bündeln. Mit einem befreundeten Musiker habe ich dann den Entschluss gefasst, es gemeinsam zu versuchen. Gemeinsam haben wir als Komponisten-Duo ein Konzept für die Sparte Production Music erarbeitet und uns bei diversen Musikverlagen wie z.B. Universal Production Music oder Warner Music vorgestellt. Das war ein Türöffner und es ging schnell bergauf. Dadurch haben wir unsere eigene Nische gefunden und gleichzeitig eine unerwartete kreative Freiheit.
Wie definierst du heute Erfolg für dich?
MAXI:
Erfolg bedeutet für mich ein gutes und ausgeglichenes Leben. Er hat nichts mit große Namen zu tun, sondern damit, dass ich mir aussuchen kann, mit wem ich arbeite. Erfolg bedeutet für mich auch, dass ich inzwischen ein Netzwerk aufgebaut habe und mit Partnern zusammenarbeite, auf die ich mich verlassen kann. Ich kann divers und professionell arbeiten und bin nicht auf eine musikalische Kategorie festgelegt. Projektweise schreibe ich als Komponistin Production Music für Verlage oder bin als Produzentin für Künstler*innen tätig.
Maxi Menot lebt und arbeitet seit fünf Jahren als Komponistin und Produzentin in Berlin. Foto: Andrea Deckert.
Empfindest du in Berlin einen besonderen Konkurrenzdruck innerhalb der Musikbranche?
MAXI:
Berlin wird immer voller und wird inzwischen überlaufen von Musiker*innen und Künstler*innen. Diesbezüglich empfinde ich aber keinen Druck mehr und finde, dass Dinge auch davon abhängig sind, wie man an sie herangeht. Konkurrenzdenke habe ich genauso in der Berliner Musikszene erlebt, wie Wissensgeiz während meines abgebrochenen Studiums an der Popakademie Baden-Württemberg oder Ellenbogen-Mentalität während meines Praktikums bei einem Berliner Musikproduzenten. Ich hatte für mich zum Glück schon ganz früh verinnerlicht, dass man miteinander Projekte viel besser angeht als allein. Das heißt für mich, wenn viele gute Leute gemeinsam an Dinge herangehen und ein offenes Netzwerk fördern, kann man viel homogener und glücklicher wachsen.
Als Komponistin und Produzentin kannst du dir inzwischen erlauben, für dich unpassende Projekte abzulehnen. Eine gesunde Haltung, die man sich aber auch leisten können muss. Lebst du sehr sparsam oder wie schaffst du es, mit der Musik finanziell auf sicheren Beinen zu stehen?
MAXI:
Das Geld in der Musikindustrie kommt nicht schnell. In längeren Projektphasen kann es schon mal drei Jahre dauern, bis man als Dienstleister*in bezahlt wird. Auch bei der Zusammenarbeit mit Labels und Künstler*innen, kann es locker ein Jahr dauern, bis es zu einer Veröffentlichung kommt. Und bis dann Geld an die Beteiligten zurückfließt, kann nochmal ein Jahr ins Land ziehen. Daher empfehle ich jedem, sich langfristig ein zweites finanzielles Standbein zu schaffen, um nicht auf Vorschüsse angewiesen zu sein. Und wenn es nur ein Tag in der Woche ist, an dem man ein festes Einkommen erarbeitet. Ich unterrichte beispielsweise an einem Tag in der Woche Klarinette an einer staatlichen Musikschule in Berlin.
Foto von Abigail Keenan.
ÜBER MAXI MENOT
Maxi Menot ist selbstständige Komponistin und Produzentin von Pop-, Theater- und Filmmusik und eine erfahrene Orchestermusikerin. Als Klarinettistin spielte sie bereits in großen Konzerthäusern wie dem Gewandhaus Leipzig oder Alte Oper Frankfurt und Berliner Philharmonie. Zusammen mit den Musikerinnen Line Bøgh und Sharyhan Osman bildet Maxi die Dream-Pop-Band „The Remaining Part“ - ein nordischer Sound mit traurig-schönen Vocals. Maxi setzt sich für die Stärkung der weiblichen Präsenz in der Musikindustrie ein und ist Initiatorin und Mitglied des Komponistinnen-Kollektivs „track15 - female composers collective“, eine Vereinigung aus elf Komponistinnen. Das gemeinsame Album „Neoclassical Score“ wurde mit dem Filmorchester Babelsberg aufgenommen und speziell für den Einsatz in Film- und Fernsehproduktionen konzipiert.
Weitere Infos: Maxi Menot | „The Remaining Part“ | „Track15 – female composers collective“
Du erwähntest, dass du am Anfang deiner Selbstständigkeit intensiv akquirieren musstest. Wie verhält es sich diesbezüglich heute bei dir?
MAXI:
Inzwischen muss ich glücklicherweise nicht mehr so stark akquirieren, da viele Aufträge von meinen langjährigen Kunden und Partnern an mich herangetragen werden und ich mir ein Netzwerk erarbeitet habe. Da ich schwerpunktmäßig im Bereich Production Music tätig bin, arbeite ich verstärkt mit Musikverlagen zusammen. Die Verlage agieren als Schnittstelle zwischen Endkunden wie Werbeagenturen und Komponist*innen und Produzent*innen wie mir. So kommt es vor, dass ein Verlag bei mir beispielsweise auch ein ganzes Album in Auftrag gibt. Im Bereich Popmusik, also wenn man für bestimmte Künstler*innen schreibt, werden von Verlagen auch sogenannte Songwriting Sessions und Camps veranstaltet zu denen man als unter Vertrag stehende/r Komponist*in eingeladen wird, um Songs beizusteuern. Ein anderer Weg kann sein, dass ich direkt mit den Künstler*innen in Kontakt trete, um gemeinsam für neue Release zu schreiben. In der Filmmusik läuft es etwas anders. Hier ist die Akquise m.E. wichtiger und es macht Sinn, mit Regisseuren oder Filmproduzenten in Kontakt zu treten. In meinem Fall sind diese wertvollen Kontakte schon während meiner Studienzeit entstanden. Andere konnte ich durch proaktives Netzwerken auf Branchentreffs und Fachfestivals wie der dem SoundTrack Cologne Kongress oder dem Cannes Filmfestival gewinnen.
Fällt es dir leicht zu Netzwerken und auf fremde Leute zu zugehen?
MAXI:
Ich musste das lernen und hatte es anfangs überhaupt nicht drauf, da ich ursprünglich aus dem Klassik-Bereich komme. In der Klassik heißt es, du musst mit deiner Leistung überzeugen und gut genug sein, dann wirst du schon Jobs bekommen. So ist es in der Popmusik eben nicht. Daher ist das Wichtigste, das ich jedem empfehlen würde, alle relevante Branchen-Veranstaltungen zu besuchen – mit der Zeit zeigt sich schnell, welche Events für einen Sinn machen und welche nicht. Ich stufe diese Netzwerk-Veranstaltungen ganz klar als Teil meiner Arbeit ein und mit dieser Einstellung trete ich auch vor Ort auf: ich bin dann dort, um potentielle Auftraggeber*innen oder Partner*innen kennenzulernen. Mit dieser Haltung habe ich einige meiner langjährigsten Kunden gewinnen können.
Maxi kennt die Eigenarten ihrer Branche inzwischen und nimmt es gelassen und mit Humor.
Welche Erfahrungen hast du als Komponistin und Produzentin in einem männerdominierten Arbeitsumfeld gesammelt?
MAXI:
Schon während meiner Studienzeit habe ich so eine Art Trauma erfahren, dass ich als Komponistin nicht genüge. Einer Frau wird auch in dieser Branche leider häufig weniger zugetraut. Diese Erfahrung musste ich auch in den Songwriting-Camps machen. Es hieß dann z.B.: Such‘ dir mal einen Produzenten! Worauf ich den Kollegen dann erklären musste, dass ich die Produzentin selbst bin. Das wurde mir nicht zugetraut oder ich habe keinen Studioraum bekommen. Das merke ich auch mit neuen Partnern, es gibt ein Misstrauen gegenüber Frauen. Meist werde ich gefragt, ob ich Sängerin bin. Wenn ich dann erkläre, dass ich Komponistin und Produzentin bin, wird oft der übelste Nerd-Talk vorgeführt, um mich abzuchecken. Grundsätzlich höre ich immer den Kommentar: ich hab noch nie eine Frau getroffen, die produziert. Ein Produzent meinte mal zu mir, nachdem wir uns über Equipment und Music Libraries unterhielten, dass er das Gefühl habe, er würde sich mit mir über Schuhe unterhalten. Und wenn ich mit meinem Produzentenkollegen als Team Aufträge annehme, wird in der Regel mit ihm das Gespräch gesucht, selbst wenn ich den Song geschrieben habe. Als Frau in der Musikindustrie muss ich mir umso mehr meinen Platz erkämpfen und für meine Arbeit immer wieder einstehen.
Neben deiner Arbeit als Komponistin und Produzentin hast du mit „The Remaining Part“ ein eigenes Bandprojekt gestartet und bist zudem Gründerin des Komponistinnen-Kollektivs track15 - female composers collective. Hast du das Bedürfnis, auch selbst als Künstlerin auf der Bühne zu stehen?
MAXI:
Ich wollte immer Musik schreiben und produzieren und wusste relativ früh, dass ich Autorin sein möchte, statt selbst auf der Bühne zu stehen. Mit den befreundeten Musikerinnen Line Bøgh und Sharyhan Osman habe ich schon für Auftragsarbeiten zusammengearbeitet und das hat zu dritt so harmonisch funktioniert, dass wir die Idee hatten, unser eigenes Artist-Projekt unter dem Namen „The Remaining Part“ zu starten. Nach der Veröffentlichung unserer ersten gleichnamigen EP erhielten wir Anfragen seitens Verlagen für eine Zusammenarbeit, die wir aber erstmal dankend abgelehnt haben, weil uns das zu schnell ging. Das ist etwas, dass ich auch gelernt habe, vielmehr auf mein Gefühl zu hören, Dinge nicht zu überstürzen, um sie ohne Druck und ganz homogen umzusetzen. Das Projekt dient in erster Linie zu meiner Profilschärfung und dazu, um mich als Komponistin und Produzentin zu positionieren und meinen Signatur-Sound zu präsentieren.
Das Komponistinnen-Kollektiv Track15 ist im Nachgang an einen sehr guten und offenen Workshop auf dem SoundTrack Cologne Kongress entstanden. Wir hatten im kreativen Austausch einen so guten Spirit, den wir in gemeinsame Projekte einfließen lassen wollen.
Foto von Elijah M Henderson.
Hat sich mit deiner Professionalisierung dein Verständnis von Musik als Kunstform verändert?
MAXI:
Über die Zeit wird alles entmystifiziert und man sieht immer mehr diese große Kluft zwischen großen Major-Produktionen, die nur zu Vermarktungszwecken geschrieben werden, und der Musik, die eben nicht diesen Strukturen der Industrie folgt. Ich für meinen Teil wurde durch mein Studium an der Popakademie Baden-Württemberg auf Mainstream-Produktionen getrimmt. Mit Artist-Projekten wie „The Remaining Part“ erlaube ich mir, diese gelernten Muster zu verlassen. Natürlich kann man solche Indie-Projekte nur dann so freigeistig angehen, wenn man finanziell andere Standbeine hat.
Welchen Rat würdest du der Maxi von vor fünf Jahren geben, die mit ihrem Traum, Pophits für namhafte Künstler*innen zu schreiben, nach Berlin gekommen ist?
MAXI:
Am besten, sich gut zu vernetzen, um Gleichgesinnte zu treffen wie z.B. beim Musicpool Berlin. Und sich nicht zu sehr zu versteifen auf eine bestimmte Richtung oder ein bestimmtes Genre. Man muss die Scheuklappen abnehmen und offen sein, um langfristig die eigene Nische zu finden und um einen Raum für die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Mir hat es nicht gut getan, mich für alles herzugeben und zu verstellen. Du wirst Dinge, die du selbst nicht magst, nicht besser machen, als jemand der sie wirklich gut findet. Auch ein Überblick über die Branche und die Fördermöglichkeiten ist sehr anzuraten. Früher dachte ich, wer gut ist erhält sicher eine Förderung, aber so läuft es nicht. Es geht vielmehr um Grundsätzliches, wie z.B. dass du zu einhundert Prozent die Anforderungen für eine Förderungsbewilligung erfüllst oder dein Formular richtig ausfüllst und dich auch mal beraten lässt.