PHELA

STREIFZUG AUFS LAND.MIT DER RÄUBERTOCHTER DER GROSSSTADT.

ÜBER ERFOLG

Foto: Liana Mikah.

Phela lädt uns ein, mit ihr aufzubrechen und heimzukehren. Mit ihrem erfundenen fahrenden Holzhaus mit offenen Fenstern, aus denen es nach Kaffee und Zimt riecht – und das sie immer dort aufstellt, wo es ihr gerade gefällt. Zum Beispiel irgendwo auf dem Land oder in den Bergen der Insel Teneriffa, umgeben von Lorbeer- und Kiefernwäldern. In dieser Abgeschiedenheit, weit weg von Berlin, hat Phela die Ruhe und Erdung gefunden, um von den rasanten letzten Jahren auf Tour Abstand zu gewinnen – und ihr zweites und kommendes Album „Wegweiser“ aufzunehmen. Ob Phela nun bei sich angekommen ist? Die Frage stellt sich bei einer Künstlerin wie ihr nicht. Phela ist und bleibt unterwegs.

Interview: Alexandra Helena Becht

Phela ist eine Künstlerin, die keine langen künstlerischen Durststrecken überwinden musste, bis sich der erhoffte Erfolg einstellte. Ihrer Entscheidung, hauptberuflich als Musikerin zu arbeiten, nahm zwar Umwege, folgte aber immer einer klaren Bestimmung. Wie klingt Erfolg, wenn er so rauschend schnell kommt?

Phela:
Er hört sich für mich ganz ruhig an, er hat keinen lauten Klang, sondern etwas Beständiges.

Für ihr kommendes zweites Album hat sich Phela Zeit und Ruhe genommen, um die Erdung zu finden, die sie auch inhaltlich und musikalisch teilen wollte. Auf Teneriffa sind elf Songs entstanden, die nicht gefällig um Likes und Follower buhlen, sondern musikalisch entschleunigen wollen. Braucht gesunder Erfolg also nicht unbedingt Druck und eine konkrete Zielsetzung?

Phela:
Es ist beides möglich, je nachdem, was für ein Künstler man ist und wo man hin möchte. Es gibt ja die unterschiedlichsten Formen von Erfolg. Ich merke aber, dass es bei mir so ist, dass er sich langsam aufbaut und ich eine wunderbare Fanbase habe, die stetig und langsam mit jedem Konzert wächst. Das genieße ich sehr, auch wenn es noch nicht die großen Hallen sind. Ein beständiges Wachsen. Das war mir auch wichtig, da in Folge meines ersten Albums 2015 unglaublich viel los war – Radio- und Fernsehauftritte wie bei Inas Nacht, eine Support-Tour für Andreas Bourani … Ich habe gar nicht so richtig die Menschen mitbekommen, die meine Musik hören. Das flog wie in einem Rausch alles an mir vorbei und man verliert etwas die Bodenhaftung. Jetzt ist es so, dass ich die Fans mitbekomme, und ich pflege einen engen Kontakt zu den Leuten, die meine Musik hören und zu meinen Konzerten kommen.

Foto: Lydia Hersberger.

Während andere Musikerinnen und Musiker und ihre Labels auf Interaktionsraten in den sozialen Netzwerken setzen und Unmengen von sogenannten Inhalten teilen, um Engagement zu generieren, setzt Phela auf die Interaktion am Bühnenrand. Ihre Musik ist eine Einladung zu einem offenen Dialog. Kommt das Vertrauen, das sie ihren Hörern auf Augenhöhe schenkt, unmittelbarer zurück?

Phela:
Mir war das zunächst gar nicht bewusst, aber es ist wohl schon so, dass sich viele Menschen persönlich angesprochen fühlen. Am Merchandising-Stand treffe ich nach meinen Konzerten viele, die sagen, dass ich so was wie eine beste Freundin für sie bin und ich ihnen durch meine Songs und Texte so vertraut erscheine, dass sie meinen, mich zu kennen und daher gern auch ihre Geschichten mit mir teilen. Es kommt sehr viel zurück.

Als junge Mutter hat Phela an Stärke und Zuversicht gewonnen und ein Album geschrieben, das musikalisch wie textlich ein Gefühl von Geborgenheit schenkt, ohne sich vom Tempo und von der Richtungsvorgabe der Musikindustrie ablenken zu lassen. Hat sich mit dem Reifen als Künstlerin auch das persönliche Erfolgsempfinden verändert?

Phela:
Ja, absolut. Ich hatte das Glück, dass ich nach meinem Umzug nach Berlin direkt ein tolles Produzententeam kennengelernt habe, das bestehende Kontakte zur Musikbranche und zu Labels hatte, und so kam es sehr schnell zum ersten Plattenvertrag. So bin ich mit dem ersten Album regelrecht auf die Bühne gestolpert und habe erst dort meinen Sound entwickelt und mein Verständnis von mir als Musikerin und davon, welchen Weg ich gehen möchte. Ich habe inzwischen gemerkt, dass es mir damals einen Tick zu anonym war, auch in Bezug auf die Strukturen in einer Plattenfirma. Jetzt habe ich einen engen Kontakt mit allen Beteiligten und kenne jedes Teammitglied. Dieser Teamgedanke ist mir sehr wichtig. Ich möchte ganz genau aufzählen können, wer an meinem Album beteiligt ist. Nicht um zu kontrollieren, sondern aus einem familiären Ansatz heraus.

Foto: t-mg, unsplash.

Kann Erfolg also auch die Erkenntnis sein, zu wissen, wie man als Künstlerin oder Künstler arbeiten möchte, und die Möglichkeit zu haben, frei entscheiden zu können?

Phela:
Ja, richtig. Manchmal kann man es sich nicht aussuchen. Es gibt zahlreiche Künstler, die sehr talentiert sind, aber keinen Plattenvertrag erhalten. Ich glaube aber, heutzutage entscheiden Major-Labels nicht mehr über Erfolg. Man sieht, wie Künstler ohne Major-Vertrag große Hallen füllen oder sich mit ihren Songs sogar auf internationaler Ebene durchsetzen.

Phela hatte nie einen anderen Job als den der Musikerin für sich im Sinn. Trotzdem hat sie vieles ausprobiert, sich versucht, gesucht und schließlich auf der Bühne gefunden. Gab es niemals ein Zweifeln, sich als Musikerin beruflich etablieren zu können?

Phela:
Für mich war immer klar, dass ich Musik machen werde. Auch weil ich aus einem Musikerhaushalt komme und immer schon Musik gemacht habe. Das war das einzig Beständige in meinem Leben, währenddessen ich viele andere Dinge abgebrochen habe und umhergereist bin. Ich habe mein Studium abgebrochen, war ein Jahr in Paris und dachte kurzzeitig, ich möchte Fotografin werden – es waren Zwischenstationen, die Musik ist aber immer geblieben. Sie ist seit fünf Jahren mein ständiger Begleiter, sie ist meine Art, mich auszudrücken. Das zeichnet meine Beziehung zu meiner Musik aus.

DIE KÜNSTLERIN
Aufgewachsen in einem idyllischen Sieben-Häuser-Dorf in der Oberpfalz auf dem Bauernhof ihres Vaters, des Künstlers und Musikers Jeff Beer, wurde Phela ganz natürlich an die Musik herangeführt. Bereits ab dem fünften Lebensjahr erhielt sie klassischen Geigenunterricht und erspielte mehrfach den ersten Platz bei „Jugend musiziert“. Es folgen Findungsjahre in einigen Bands, bis sie 2010 in Paris landet und dort ihre ersten eigenen Songs schreibt. Sie bricht das Studium ab und zieht nach Berlin, wo sie ihre neue musikalische Familie findet und die Dinge ihren Lauf nehmen. Seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Seite 24“ im Jahr 2015 ist Phela ständig unterwegs. Sie spielt als gefragter Support für Philipp Poisel, Alin Coen, Cäthe und Andreas Bourani, tourt durch Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Niederlande und Frankreich. Das zweite Album "Wegweiser" soll 2018/2019 erscheinen, begleitet von einer Mini-Tour im Dezember.

Von der Kunst leben zu können, ist in der Sache selbst schon eine Kunst. Phela hat das große Glück, sich auch ohne Teilzeit- oder Nebenjobs, voll und ganz auf ihre Musik konzentrieren zu können. Gab es aus existenzieller Sicht niemals den Punkt, wo ein Plan B in Frage gekommen wäre?

Phela:
Zum Glück musste ich bisher nie andere Jobs machen, weil ich immer sehr viele Konzerte gespielt habe. Ich habe eine sehr tolle Booking-Agentur und ich selbst buche ebenfalls meine eigenen Touren. So habe ich im Jahr 2017 36 Konzerte am Stück gespielt. Wenn man das über sechs Wochen durchzieht und auf teure Hotelübernachtungen verzichtet, bleibt am Ende auch was übrig. Während der Schwangerschaft kann ich erst mal ein paar Monate nicht auftreten und es entstehen andere Fragen: ob es finanziell reichen wird und wie ich die Zeit, in der man nicht tourt, überbrückt. Wenn das Baby da ist, möchte ich es natürlich auf Tour mitnehmen und werde mit meiner Schwester eine tolle Babysitterin dabei haben.

Als feinfühlige Poetin und Räubertochter der Großstadt scheut Phela kein Abenteuer. Ist ihr dieser Wagemut in die Wiege gelegt worden oder war es mehr ein Sich-selbst-Entdecken?

Phela:
Auf jeden Fall musste ich mich selbst entdecken und meinen Weg erst mal finden. Mein Vater ist freischaffender Künstler und Musiker und viele denken, dadurch ist mir das alles in die Wiege gelegt worden. Aber für mich war es schwierig, mich abzukapseln und herauszufinden, wie ich mich musikalisch ausdrücken möchte. Das waren andere Vorstellungen, als sie mein Vater für mich hatte. Diese Abnabelung hat lange gedauert, erst mit 19 Jahren habe ich angefangen, meine eigenen Songs zu schreiben. Ich war erst sehr schüchtern, nicht der Typ, der nach vorne auf die Bühne zu einem Mikrofon geht. Ich musste wie aus einer Pubertät aufwachen.

Foto: Alistair Macrobert.

In der Abgeschiedenheit der Insel Teneriffa, weit weg von ihrer damaligen Wohnung im lauten Berlin, hat Phela von den rasanten letzten Jahren Abstand gewonnen und ihr zweites Album aufgenommen. Hatte sich der Erfolgsdruck zwischen die Künstlerin und ihre Kunst geschoben?

Phela:
Natürlich ist das zweite Album kniffeliger als das Debüt, mit dem man eine erste Handschrift abgegeben hat. Und natürlich erwarten viele Menschen im näheren Umfeld etwas von einem und man selbst von sich am meisten. Ich hatte mit dem ersten Album großen Liebeskummer verarbeitet und galt daher ein wenig als Herzschmerzmädchen. Ich dachte mir, das wird mir eigentlich gar nicht gerecht. Und ich wollte den Leuten zeigen, dass mich darüber hinaus auch andere Themen beschäftigen. Das hat mich zunächst thematisch über ein Jahr blockiert – nicht die Sorge, an den Debüterfolg anknüpfen zu können. Ich musste lernen, mich frei davon zu machen, für irgendjemanden schreiben zu wollen, und das Schreiben neu lernen. Das war ein spannender Prozess, sich von Erwartungen freizumachen.

Großartige Werke wirken nach außen oft wie aus einem natürlichen Selbstverständnis heraus entwickelt und einer klaren Vision folgend. Wer selbst Künstler und Musiker ist, weiß, dass hinter den Kulissen oft auch Zweifel und Schwermut an der kreativen Seele nagen. Brauchen Kunst und Musik Niederlagen und Hadern, um zu reifen?

Phela:
Ich denke schon, ich bin ein großer Fan des Scheiterns. Ich glaube, jeder der ganz oben herumgeschwebt ist und dann tiefer rutscht oder anders herum, der kann es besser schätzen. Es gehören beide Extreme zu dieser besonderen Selbsterfahrung. Auch, dass man manchmal überhaupt nicht weiterweiß und sich existenzielle Fragen stellt. Je länger ich Musik mache, desto besser verstehe ich, dass diese schubweise aufkommenden Zweifel normal sind und zum Künstlerdasein gehören. In dem Moment, in dem man sie fühlt, empfindet man es natürlich nicht so, aber mit etwas Distanz betrachtet bin ich mir klar darüber, dass diese gelegentlichen Zweifel auch für etwas gut sind.

Foto: Janko Ferlic.

Geigenunterricht seit dem fünften Lebensjahr, erste Plätze bei „Jugend musiziert“, ein weiterführendes Jazzgeigenstudium – es ist erstaunlich, auf wie vielen Wegen Phela mit nur 28 Jahren bereits ihre musikalischen Spuren hinterlassen hat. Ist es manchmal schwer, bei wachsender Aufmerksamkeit und Bekanntheit nicht sich selbst und die eigene Bodenhaftung zu verlieren?

Phela:
Ich bin vor wenigen Wochen von Berlin aufs Land gezogen und bin seitdem der glücklichste Mensch. Ich lebe lieber im Stillen auf dem Land, hier geht es mir einfach gut und ich habe Balance. Zusammen mit meinem Partner habe ich ein großes Haus gefunden, das wir mit Musik füllen möchten und in dem wir back to basic gehen. Ich möchte nicht immer verfügbar sein, ständig meine E-Mails checken oder über die sozialen Netzwerke so viel mitbekommen und mich vergleichen. Es ist immer wieder ein Zu-sich-stehen und Ausloten, was für ein Künstler man ist.

Als erfahrene Livemusikerin hat Phela mit vielen namhaften Kollegen die Bühne geteilt, wie mit Philipp Poisel, Alin Coen, Cäthe und Tex von TV Noir. Wird Erfolg aus weiblicher Sicht anders bemessen als aus männlicher Sicht?

Phela:
Leider ist es nach wie vor so, dass männliche Kollegen immer noch besser bezahlt werden als Musikerinnen. Das ist sogar bei den bekannten Bands so. Als ich meine Tour selbst gebucht habe, habe ich schon doppelt und dreifach für meine Gage kämpfen müssen. Inzwischen kann ich gut verhandeln, weil ich den Wert meiner Band kenne und weiß, was wir an Arbeit hineinstecken, und zudem auch die regionalen Gagenunterschiede realistisch einschätzen kann. Bei Festivals hat man aber meistens keinen Verhandlungsspielraum. Allgemein bekomme ich bei vielen Musikern mit, dass sie sich jahrelang unter Wert verkaufen. Und man sollte nie unter einen Mindestwert kommen, den man vorab mit sich ausgemacht hat. Zudem gibt es nicht so viele weibliche Interpreten in Deutschland. Ich habe das Gefühl, es gibt fünf große männliche Interpreten und dass man so klingen muss wie sie, um in Deutschland erfolgreich zu sein. Als Frau ist es schwer, diese Stufe zu erreichen. Vielleicht auch, weil man als Frau mehr über seine Gefühle schreiben soll und Männer mehr anecken dürfen. Das ist für mich immer wieder erschreckend, festzustellen, dass man Frauen immer noch ganz liebhaben möchte, währenddessen Männer auch politisch anecken dürfen.

Es gibt nicht viele Musikerinnen und Musiker, die so schnell Unterstützer und ein großes Publikum für sich gewinnen. Talent setzt sich nicht immer durch. Liegt es manchmal einfach auch am fehlenden Quäntchen Glück?

Phela:
Ab einem bestimmten Zeitpunkt muss man sich als Musiker fragen, was man womöglich ändern kann oder muss. Liegt es an Strukturen, spielt man zu wenig live? Es gibt oftmals Lücken, die einem selbst nicht so klar sind. Beispielsweise gibt es Künstler, die jahrelang allein arbeiten und kein Team haben, das sie weiterbringt. Es kommt nur ganz selten vor, dass man entdeckt wird. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man sich selbst im besten Maße vorbereitet. Und wenn man das geschafft hat und man das, was man tut, selbst schätzt, dann kann man sich fragen, welches Team würde das Beste rausholen und das Ganze eine Stufe weiterbringen? Gerade am Anfang, wenn man noch nicht die finanziellen Mittel hat, kann man schauen, ob vielleicht ein Freund Fotos schießen oder Flyer verteilen kann oder man sich selbst eine Tour buchen kann. Natürlich, es nützt das beste Team nichts, wenn man noch nicht so weit ist. Aber wenn man so weit ist, dann braucht man Leute, die einen weiterbringen. Beides bedingt einander.

Foto: Wyatt Ryan.

Danke an Phela für das Interview. Danke an die Leserinnen und Leser für das Interesse.

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