CATT
ÜBER ERFOLG
Foto: Taylor Simpson.
Wenn bei einem Konzert die Welt kurz still steht und du für einen Wimpernschlag vergisst, wer und wo du bist, dann bist du womöglich auf einem Konzert von CATT. Scheinbar mühelos lässt CATT sich in ihre Songs fallen und trägt das Publikum mit Seelenruhe und souveräner Musikalität. Die in Berlin lebende Musikerin ist ein Leuchtpunkt in der hiesigen Szene und bereichert mit ihrer Strahlkraft die Werke namhafter KünstlerInnen als Songwriterin, Studio- oder Live-Musikerin. Verfolgt man CATTs musikalischen Weg dann ist das in etwa so als würde man der Geburt eines musikalischen Sterns zuschauen: Nach ihrem Studium in Musikproduktion arbeitete sie bereits nach kurzer Zeit als Musikerin oder Songwriterin für KünstlerInnen wie u.a. Balbina, Judith Holofernes, Kat Frankie oder Max Herre. Mit den Veröffentlichungen ihrer ersten eigenen Single „Moon“ und ihrer gleichnamigen EP legte CATT 2018/2019 den Grundstein für ihre Solokarriere. Anfang 2020 absolvierte sie ein sechswöchiges Kreativ-Stipendium für das sie von der Roger Willemsen Stiftung ausgewählt wurde, um die Songs für ihr Debütalbum zu schreiben. Das wäre dann jetzt nur verständlicherweise der Moment für aufkommenden Erfolgsdruck. Oder etwa nicht? Auch in dieser Hinsicht nimmt es CATT lieber mit gesunder Haltung und wirft einen reflektierten Blick auf die Branche und ihren Platz darin ...
Interview: Alexandra Helena Becht.
Foto links: Tran Chau. Foto rechts: Sarah Dorweiler.
Wann verspürst du künstlerischen Erfolg?
CATT:
Wenn es mir gelingt, meine Ideen musikalisch auf den Punkt zu bringen und ich darin Ausdruck finde und meine eigene künstlerische Sprache entwickeln kann. Und natürlich ist es auch ein künstlerischer Erfolg, überhaupt die Freiheit zu haben, meine Musik uneingeschränkt und exakt nach meinen eigenen Vorstellungen veröffentlichen zu können. Langfristig gesehen, mit Blick in die Zukunft: wenn ich internationale Touren spielen und genug Menschen mit meiner Musik berühren könnte, um eine große Energie zu entfachen – oder anders gesagt, wenn sich die Tourneen auch finanziell für mich lohnen würden, so dass ich eine Band angemessen bezahlen könnte.
Braucht Erfolg aus deiner Sicht unbedingt die großen Bühnen oder fühlst du dich als Musikerin eher im Indie-Bereich zu Hause?
CATT:
Es fühlt sich teilweise krasser an, wenn ich meine eigene Musik in kleinen Clubs spiele. Wenn ich als Live-Musikerin die großen Tourneen von Major-Artists begleite fühlt es sich manchmal so an, als würde man die ganze Energie in einen großen abstrakten Raum pusten. Große Bühnen sind indirekter – schon zwangsläufig wegen des riesigen Abstands zwischen Publikum und Bühne. Na klar, womöglich wäre es anders, wenn ich meine eigene Musik in diesen großen Hallen spielen würde. Aber, mir stellt sich schon die Frage, ob ich selbst überhaupt vor so vielen Menschen meine eigene Musik spielen möchte und was es mit sich bringen würde. Möchte ich draußen erkannt werden, wenn ich als Privatperson unterwegs bin? Das kann ich mir im Moment für mich nicht so richtig vorstellen. Für mich steht die Musik im Vordergrund und daher glaube ich, dass ich im Indie-Bereich besser aufgehoben bin. In jedem Fall mache ich aber durch meine Jobs als Live-Musikerin sehr wertvolle und wichtige Erfahrungen. Und es bereitet mir auch große Freude, andere KünstlerInnen, egal ob Major- oder Indie-Artist, in ihrer musikalischen Vision zu unterstützen.
Foto: Taylor Simpson.
Verspürst du als Newcomerin einen gewissen Druck und wenn ja, wie gehst du damit um?
CATT:
Ich fange ja gerade erst an, mich als Solokünstlerin zu etablieren und versuche mich, von einem gewissen Erwartungsdruck frei zu machen. Dazu gehört auch, mich selbst zu entlarfen, wenn ich zum Beispiel beim Blick auf Instagram in Versuchung gerate, mich selbst mit anderen Indie-KünstlerInnen zu vergleichen. Ich glaube, auf lange Sicht sollte man in seine eigene Energie vertrauen. Was nicht bedeutet, dass man kein Feedback annimmt, sondern dass man mit gutem Gewissen, nur das macht, was sich menschlich wie künstlerisch gut anfühlt.
Hattest du anfangs Zweifel, die Musik zu deinem Beruf zu machen?
CATT:
Als ich vor fünf Jahren nach Berlin gezogen bin stand mein Entschluss relativ schnell fest und seitdem arbeite ich Stück für Stück darauf hin, mich hauptberuflich und langfristig als Musikerin zu etablieren. Ich habe an der Hochschule der populären Künste in Berlin Musikproduktion studiert und angefangen mich innerhalb der Szene zu vernetzen. Ich habe viele Banderfahrungen als Pianistin, Backgroundsängerin, Studiomusikerin oder in Songwriting Sessions gesammelt. Im Rahmen des Abschlusskonzertes an der Uni habe ich dann erstmals ein eigenes Stück präsentiert und erfahre seitdem sehr viel Zuspruch für meine Musik. Das hat jegliche Zweifel ausgeräumt und ich habe erkannt, dass ich da wohl ein gewisses Talent habe, mit dem ich Menschen berühren kann.
Foto links: Tran Chau. Foto rechts: Sarah Dorweiler.
Wie hast du dich als Neuankömmling in Berlin gefühlt, ist es dir leicht gefallen, Zugang zur Musikszene zu finden?
CATT:
Auf der einen Seite gibt es in Berlin viel mehr MusikerInnen, alles ist viel größer und viele müssen sich am Anfang erstmal lange einen Platz erkämpfen. Denn es ist natürlich viel schwerer in einer Stadt wie Berlin regionale Bekanntheit zu erlangen, gerade wenn man zugezogen ist. Ich habe also direkt im großen Becken angefangen. Andererseits sind manche Wege auch sehr viel kürzer, weil nun mal die Branche vor Ort sitzt. Dadurch konnte ich sehr schnell ganz viele verschiedene MusikerInnen und MacherInnen kennenlernen.
Was war auf deinem musikalischen Weg die bisher wichtigste Entscheidung?
CATT:
Überhaupt erstmal eigene Musik zu veröffentlichen und den Mut zu haben, mich dem Feedback anderer auszusetzen. Ich habe meinen ersten Song „Moon“ in 2018 veröffentlicht und wusste ab diesem Moment: Jetzt bin ich CATT und es gibt kein Zurück mehr. Damit kam etwas ins Rollen. Natürlich muss ich auch weiterhin kontinuierlich Netzwerken und Kontakte aufbauen und pflegen. Ich glaube, die Bereitschaft, sich in einem gewissen Maß anderen Leuten zu öffnen, muss gegeben sein, wenn du dich als MusikerIn etablieren möchtest.
Foto: Ella C.
Fällt es dir leicht zu Netzwerken und deine Arbeit als Musikerin und Produzentin selbstbewusst zu kommunizieren?
CATT:
Es gibt natürlich immer wieder Situationen in denen ich über meinen eigenen Schatten springen muss. Grundsätzlich bin ich aber eine offene Person, an Menschen interessiert und immer auf der Suche nach neuen Begegnungen oder Herausforderungen. Das pusht mich selbst immer wieder über eigene Grenzen und in neue Gefilde. Ich wollte mir lange nicht eingestehen, dass ich Produzentin bin, weil ich dachte, man muss erst etwas Bestimmtes erreicht haben, um sich ProduzentIn zu nennen. Aber ich habe Musikproduktion studiert, meine EP selbst produziert und kann meine eigene Vision meiner Musik umsetzen. Zudem weiß ich, wie andere Produzenten arbeiten. Ich weiß also inzwischen, was ich kann. Das war ein Kampf, den ich gegen mich selbst kämpfen musste. Manchmal fällt mir auf, dass ich vergesse zu erwähnen oder bewusst verschweige, dass ich auch Produzentin bin. Das ist ein interessanter Aspekt und ich denke, ich muss lernen, mein Können und meine Leistung auch anderen gegenüber klar zu kommunizieren.
Hat sich mit zunehmender Branchenerfahrung die Beziehung zu deiner eigenen Musik verändert?
CATT:
Da ich häufig bei Musikproduktionen etablierter KünstlerInnen mitwirke und mitbekomme, welche strategischen Überlegungen hinter den Kulissen getroffen werden, bin ich nicht mehr komplett frei und unbefangen. Das wird auch eine der Herausforderungen mit Blick auf mein Debütalbum sein: beim Songwriting nur für den jeweiligen Song zu denken und mich frei davon zu machen, wie ein Song zu klingen hat, damit er im Radio gespielt wird.
Foto: Taylor Simpson.
Welchen Einfluss hat Erfolg deiner Meinung nach auf die Kunst und auf die Musik?
CATT:
Im besten Fall ist er eine Freiheitsgarantie, künstlerisch das zu machen, was man möchte. Im schlimmsten Fall kann er die Kunst stumpf schleifen. Man kann das ja immer wieder beobachten: Bands oder KünstlerInnen überraschen mit frischen, vielversprechenden Debütalben und verlieren an ihrer Intensität und Eigenständigkeit sobald sie in den Strukturen eines Major-Labels hängen. Oft bekommt dann das zweite Album so eine merkwürdige mit „modernen“ Beats unterlegte Austauschbarkeit.
Reisen wir fünf Jahre zurück in die Vergangenheit. Welchen Rat würdest du deinem früheren Ich mit auf den Weg geben?
CATT:
Es gibt ganz viele verschiedene Wege, die zu ein und dem gleichen Ziel führen. Ich glaube, das Wichtigste ist, loszugehen und etwas in Bewegung zu setzen. Ich habe von Anfang an auf meine Intuition gehört und zu nichts ja gesagt, was sich nur mittelgut anfühlt. Und genauso würde ich es wieder machen.